Die Deutschen geben immer mehr Geld für beim Arzt angebotene Sonderleistungen aus, obgleich sie diese in den meisten Fällen selbst bezahlen müssen. Auch bemängeln Experten, dass solche Sonderleistungen der Gesundheit oftmals nur in Teilen oder gar nicht zuträglich sind.
2,4 Milliarden Euro haben gesetzlich Versicherte in Selbstzahlerleistungen investiert. 56 individuelle Gesundheitsleistungen (Igel) hat der Medizinische Dienst Bund genauer unter die Lupe genommen – als „tendenziell positiv“ wurden lediglich drei eingestuft, z.B. die Akupunktur zur Migränevorbeugung und die Lichttherapie bei einer saisonal depressiven Störung, der sogenannten Winterdepression. Gebucht würden diese Leistungen oft dennoch, weil die Patienten unzureichend aufgeklärt würden und ihnen so das nötige Wissen fehle.
Ganz oben auf der Liste der Selbstzahlerleistungen stehen Ultraschalluntersuchungen der Eierstöcke und Gebärmutter zur Krebsfrüherkennung, die Augeninnendruckmessung zur Glaukomvorsorge oder die PSA-Bestimmung zur Früherkennung von Prostatakrebs. Jedoch wurden auch diese eigentlich positiv anmutenden Untersuchungen von Experten als negativ oder teils negativ eingestuft. Grund: Sie führten in vielen Fällen zu falschen positiven Befunden und damit zu weiteren in diesen Fällen unnötigen Untersuchungen. Zudem verringere eine solche Untersuchung das Risiko beispielsweise an Eierstockkrebs zu sterben kein bisschen.
Stefan Gronemeyer, Vorstandsvorsitzender Medizinischer Dienst Bund, empfindet es als „bedrückend“, dass so viele Patienten aus reiner Unwissen- und Ungewissheit heraus ihr Geld für Sonderleistungen ausgeben. Eine Forsa-Umfrage, bei der 2013 Versicherte zwischen 18 und 80 Jahren für den Igel-Report befragt wurden, zeigte zudem, dass lediglich 26 Prozent der Versicherten glauben, ausreichend informiert zu sein.
Für Gronemeyer stehen die Arztpraxen in der Pflicht, ihre Patienten besser über mögliche Schäden und den wirklichen Nutzen solcher Untersuchungen aufzuklären. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, geht sogar noch einen Schritt weiter. Sie benennt einen direkten Zusammenhang zwischen der hohen Zahl an Sonderleistungen und den langen Wartezeiten bei Facharztterminen. Vertrödele ein Arzt seine Zeit mit bisweilen doch fragwürdigen Sonderbehandlungen, so bliebe die vertragsärztliche Versorgung schlicht auf der Strecke.
Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz sieht das Thema kritisch. Sie fordert, dass Ärzte ihren Patienten einen vierzehntägige Bedenkzeit zwischen dem Angebot des Arztes und der Erbringung der Igel-Leistung einräumen.